Der Swift-Effekt auf den Retail

Popkultur-Events sind für den Einzelhandel wichtiger denn je, und Marketing- und Merchandising-Lösungen müssen eine schnelle Reaktion des Einzelhändlers ermöglichen. Eine Frau und eine Band beherrschten im vergangenen Sommer die Pop(Rock)kulturlandschaft – Tayler Swift mit einer Karriere, die der Realität fast zu trotzen scheint und meine liebste Heavy-Metall-Band METALLICA. Beide hatten einen erheblichen Einfluss auf den Einzelhandel, und intelligente Händler nutzten Verstand, Technologie und Kreativität, um daraus Kapital zu schlagen. Betrachten wir einmal jedes Phänomen und schauen wir uns an, was Händler getan haben, um das enorme öffentliche Interesse in Gewinn umzuwandeln.

Der lokalisierte Konsum-Hype von Taylor Swift

Die aktuell höchst erfolgreiche Tournee der Pop-Ikone führte zu einem Verkaufsboom bei kleinen Modemarken, die Kleidung mit Pailletten und Glitzer anboten. Auf diese Weise haben sie das Beste aus der Swiftmania gemacht. Als Taylor Swift im November 2022 ihre Eras-Tournee ankündigte, waren einige Modeunternehmen darauf vorbereitet, den gesamten Veranstaltungsort mit glitzernden Kreationen zu erhellen, während andere sich rasch darauf vorbereiten mussten. Wohl mit am Besten hat die amerikanische Marke Boot Barn den Hype um Taylor Swift ausgenutzt.

Es wird erwartet, dass die Tournee, die im März begann und bis November 2024 dauert, allein in den Vereinigten Staaten Verbraucherausgaben in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar generieren wird, wobei der durchschnittliche Konzertbesucher etwa 1.300 US-Dollar ausgibt. Dies betrifft nicht nur die Konzertkarten, die rasch ausverkauft waren, sondern auch die Konzert-Outfits, für die die Besucher gerne ihr Geld ausgeben, was insbesondere kleinere Modemarken erfreut.

Händler erwarteten zwar die Nachfrage nach glitzernder Konzertmode, aber die tatsächliche Nachfrage übertraf die Erwartungen vieler. Diejenigen, die geschickt genug waren, die Gelegenheit zu nutzen, konnten außerordentlich davon profitieren. Google-Suchanfragen nach „süßen Stiefeln“ und „Was man zum Taylor-Swift-Konzert anziehen soll“ haben extrem zugenommen, nachdem Swifts Konzertkarten letztes Jahr in den Verkauf gegangen sind. Analysten sagten, wenn 2 % der Swift-Konzertbesucher durchschnittlich 110 US-Dollar bei Boot Barn ausgeben würden – der Betrag eines typischen Einkaufs dort – könnte die Tour in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2024 von Boot Barn zu zusätzlichen Umsätzen in Höhe von 10,6 Millionen US-Dollar führen.

Swifts Beliebtheit wurde auch durch buchstäbliche "Mini-Erdbeben" bestätigt, die durch die Massenaktivitäten bei einigen ihrer Shows ausgelöst wurden. Während Swift das Land bereiste, konzentrierte sich die Nachfrage nach bestimmten Produkten kurzfristig auf Einzelhändler in der unmittelbaren Umgebung ihrer Konzerte.

Analysten von Jeffries untersuchten beispielsweise die 2,4 Millionen verkauften Konzertkarten der Tour und prognostizierten erhebliche Umsatzsteigerungen für Geschäfte bei Artikeln wie Cowboyhüten, Pailletten und Westernstiefeln. Anders als bei "Barbie" wird diese Nachfrage wahrscheinlich nicht länger als ein oder zwei Wochen vor den Aufführungsdaten lokal anhalten. Heißt, man kann bereits weit im Voraus auf den Zug namens "Swift-Effekt" aufspringen, allerdings ist der Verkaufszeitraum extrem kurz. Einzelhändler, die Waren anbieten, die kurzfristig auf die Popkultur ausgerichtet sind, müssen über äußerst lokalisierte und effiziente Planungs-, Zuteilungs- und Werbesysteme verfügen, um mit diesem schnellen, marktspezifischen Aktivitätsschub umzugehen.

METALLICA - lokal verbunden, interaktiv. Eine Multi-Channel-Machinerie

Zugegeben, als Fan einer der erfolgreichsten Heavy-Metall-Bands der Geschichte, bin ich vielleicht voreingenommen. Aber, dass was die Jungs auf die Beine gestellt haben, sucht weltweit ihres gleichen. Während die Effekte durch die Swift-Shows einfach eine Reaktion der Fans ist, dreht METALLICA den Spieß um, und provoziert ganz bewusst eine lokale Interaktion zwischen Konzertbesuchern und den diversen Angeboten der Veranstaltungsorte und deren Städte. Die 72 SEASONS Tour ist eine Stadion-Tour mit der Besonderheit, dass es zwei Konzerte pro Stadt gibt. Der Clou - zwischen beiden Shows ist ein Tag Pause. Angereiste Fans buchen also mindestens 2 Nächste in einem Hotel, was für die Branche - mit bis zu 50.000 Besuchern - nicht unerheblich ist. Damit Fans die Zeit in der Stadt optimal nutzen, hat man sich sehr viel überlegt:

Scavenger Hunt

In jedem Veranstaltungsort gab eine digital-gestützte Schnitzeljagd. So konnten Fans die Stadt erkunden und Rabattmarken für lokale Attraktionen sammeln. Kuratierte Locals profitierten sehr stark davon.

Lokale Gigs

Bereits Abende vor den eigentlichen Konzerten gibt es kleinere Konzerte, die sich dem gleichen Musikstil widmeten. Eine frühere Anreise lohnt sich also absolut.

Pop-up Shop

Shirts, Caps, Patches und Co. kauft man direkt beim Konzert? Nope ... METALLICA betreibt in jeder Stadt einen eigenen Pop-up-Shop, der schon eine Woche vor und eine Woche nach dem Konzert betrieben wird. In Hamburg stand ich eine Stunde in der Schlange, um viel Geld für coole Merchandising Artikel zu lassen. Der Store hatte ca. 1.000qm und war voll gestopft mit allem, was ein Fan sich wünscht.

Film Festival

Auch wird ein kleines Rock’n’Roll Film-Festival veranstaltet. Gezeigt werden Konzerte, Band-Dokumentationen und unveröffentlichtes Filmmaterial zur Band. Auch schafft es die Band mit ihrer Tour in die Kino und bringt das Konzertfeeling zu allen nach Hause, die es nicht schaffen, ins Stadion zu gehen.  

Q&A

Die Bandmitglieder stellen sich den kritischen Fragen der Fans.

Historical Gigs

In einer interaktiven digitalen Karten werden historische Konzerte der Band markiert. Fans können diese Orte besuchen, welche mit allerlei historischen Requisiten ausgestattet werden.

Local Recommendations

Auch gibt es lokale Empfehlungen der Band. Ein kleiner Plattenladen um die Ecke, eine coole Bar oder Orte, die für die Band von großer Bedeutung sind. Jede Stadt, in der gespielt wird, hat ein eigenes exklusives Branding mit eigenem Logo und Design. Man hat sich einiges einfallen lassen, um Stadt, Musik und Fans in den 3-4 Tagen vor Ort bestens zu unterhalten. Überall wo man hinsieht, sieht man Fans in voller Kluft. Das ganze Konzept ist so ausgelegt, dass man sich der M-Family verbunden fühlt. Es fühlt sich an, als ob sich 50.000 Menschen seit Jahren kennen. #Unglaublich

METALLICA muss unglaublich viel in Digitalisierung, Recherche und Kooperationen investiert haben, damit das Konzept so reibungslos klappt. Der Aufenthalt wurde damit zu einer 360°-24/7-Experience. Hotellerie, Gastronomie, Kultur und der Einzelhandel haben sich in diesen Tagen eine goldene Nase verdient, wenn sie es denn clever angestellt haben. Die Pro-Kopf-Ausgaben eines METALLICA-Fans zur 72 SEASONS Tour liegen deutlich über dem eines Swift-Fans. Allein die Ticketpreise lagen durchschnittlich bei 700€ pro Kopf. Egal, ob man jetzt ein Swifty oder ein Metallhead ist; beide Konzepte haben einen außergewöhnlichen Einfluss auf den Konsum. Doch ...  

Der Swift-Effekt auf den Retail

Wie müssen Einzelhändler auf diese Effekte reagieren, um der gesteigerten Nachfrage nach Mode, Entertainment und Co. Schritt zu halten

Um optimal von breiteren Popkultur-Events zu profitieren, müssen Einzelhändler in der Lage sein, sowohl Online- als auch In-Store-Marketing und Merchandising rasch und mühelos an das jeweilige Thema anzupassen, wie beispielsweise die Verwendung von pinken Rüschengrafiken im Falle von "Barbie". Außerdem sind Marketing- und CRM-Lösungen erforderlich, die eine konsistente Preisgestaltung und Werbemaßnahmen ermöglichen. Ferner sollten flexible Vertriebs-, Nachverfolgungs- und Erfüllungssysteme vorhanden sein, um Waren schnell von einem Geschäft oder einer Region in ein anderes zu verschieben, um den Verkauf relevanter Produkte zu steigern oder das Produktangebot anzupassen, je nach Bedarf und erwarteter Verbrauchernachfrage. Ein bemerkenswertes Beispiel aus der Praxis zeigt Walmart, ein Einzelhändler, der seine Marketing- und Merchandising-Strategie erfolgreich an den "Barbie"-Trend angepasst hat. Anfang Juli führte der Discounter ein digitales Einkaufserlebnis ein, das Verbraucher mit Top-Artikeln und kuratierten Einkaufswagen von Barbie sowie einigen Prominenten in Verbindung bringt. Dies verdeutlicht die Expertise und Anpassungsfähigkeit des Einzelhandels in Zeiten sich schnell ändernder Popkultur-Phänomene.

Einen Schritt voraus sein

Taylor McMillan, die 36-jährige Gründerin der Online-Boutique Hazel and Olive in Rockwell, Texas, war bereits lange erfolgreich darin, Kleidung anzubieten, die sich an Konzertbesucher richteten, insbesondere an Country-Musik-Fans. Dennoch führte die Eras-Tournee von Swift zu beispiellosen Umsätzen. "Wir hatten Hunderte von einem bestimmten Stil, und sie waren innerhalb von Minuten ausverkauft", berichtet sie. "Wir haben den Hype sofort erkannt." Die Marke reagierte, erweiterte ihr Team um einen Vollzeit-Kundendienstmitarbeiter und beschleunigte den Produktbestellzyklus, um der Nachfrage gerecht zu werden. "Wir haben die Produktion einiger Modelle beschleunigt und einen Großteil der Bestände, die normalerweise auf dem Seeweg verschifft werden, per Flugzeug eingeführt, um sie rechtzeitig zu liefern", so McMillan. Obwohl sie ihre Arbeitszeiten verlängern musste, um den Überblick über die Bestellungen zu behalten und das Versprechen ihrer Marke für den Versand am selben Tag einzuhalten, zahlte sich der Aufwand aus. Die Verkäufe von Hazel and Olive stiegen im Jahresvergleich um 40 Prozent, was McMillan größtenteils der Eras-Tournee zuschreibt.

Anpassung der Inventarstrategie

McMillan erweiterte nicht nur schneller als üblich ihren Lagerbestand, sondern fokussierte auch den Großteil ihrer Neubestellungen auf konzerttaugliche Kleidung. Diesen Trend wird sie bis 2024 fortsetzen. "Taylor Swift gab ihre Tourdaten für 2024 bekannt, während ich im August auf einer großen Marktmesse war, und ich habe meine Kaufstrategie sofort noch stärker auf Pailletten ausgerichtet", erklärt sie. Andere Marken passten ihre Bestände an und boten Produkte an, die normalerweise nicht zu ihrem Sortiment gehörten. Der Modehändler Pink Lily mit Sitz in Bowling Green, Kentucky, präsentiert regelmäßig Bekleidungskollektionen, die speziell auf Konzertbesucher ausgerichtet sind. Für die im April eingeführte Kollektion entschied sich die Marke jedoch für einen anderen Ansatz. "Normalerweise haben wir mehr Braun und Denim, also mehr Country-Stil", erklärt Gerbig. "Aber für Taylor war es sehr pink, mit Pailletten, Rüschen und Federn." Obwohl Pink Lily normalerweise keine Artikel über 100 US-Dollar führt, wurden rosa Strassstiefel für 140 US-Dollar doppelt ausverkauft. Die Marke verzeichnete im Vergleich zum vorherigen Konzert-Drop ein Wachstum von 50 Prozent bei ihrem Frühjahrskonzert-Drop. Es geht aber auch einfacher: diverse Bars haben ihre Cocktails nach den Songs von METALLICA benannt. Einige ohne vorher zu verraten, um welches Drinks es sich handelt. Man war eingeladen Spaß zu haben.

Nutzung neuer Marketingmöglichkeiten

Hervorragende Marketingtaktiken zahlten sich ebenfalls aus. Pink Lily nutzte Swifts Konzert in Nashville, um die Aufmerksamkeit potenzieller Neukunden zu gewinnen, indem sie eine Influencer-Reise veranstaltete und prominente Gäste wie den Olympioniken Shawn Johnson sowie sechs Kunden, die durch ein Gewinnspiel ausgewählt wurden, in eine Suite für 24 Personen im Nissan-Stadion einlud. Das Giveaway führte zu mehr als 40.000 neuen E-Mail-Anmeldungen für die Marke. Obwohl die Eras-Tournee in ihrer ersten Phase ein Segen für Unternehmen war, gehen Modemarken nicht davon aus, dass die Swiftmania bald abflauen wird. Dies bietet anderen Marken die Gelegenheit, einzigartige Möglichkeiten zu nutzen, um auf dieser Welle zu reiten. Da "Taylor Swift: The Eras Tour" am 13. Oktober in die Kinos kommt, erwarten McMillan, Trude und Gerbig, dass sich die Kunden für die Vorführungen schick verkleiden werden, insbesondere nachdem Barbie diesen Sommer die Kinos mit rosa gekleideten Zuschauern gefüllt hat.

Aktualisierung des Merchandising-Ansatzes

Pailletten wurden auch in großen Mengen bei Show Me Your Mumu, einer Damenmodemarke mit Sitz in Venice, Kalifornien, verkauft. Das Label, das 2010 von den Kölnerinnen Trude und Cammy Miller gegründet wurde, verzeichnete seit März ein Wachstum von 182 Prozent bei E-Commerce-Suchen nach Pailletten und Glitzerartikeln. Dies ist bemerkenswert, da solche Glamourartikel normalerweise im Frühling und Sommer nicht besonders gefragt sind. "Ich konnte wirklich nicht glauben, wie viel Umsatz diese Tour für uns gebracht hat", sagt die Mitbegründerin Trude. Das Unternehmen nutzte die Gelegenheit, indem es seinen "Sparkle Shop" hervorhob und die Schlüsselwörter "Eras Tour" und "Taylor Swift" auf seiner Website zur Zielseite des Shops führten. Im Frühjahr gewann Show Me Your Mumu 68 Prozent neue Kunden im Vergleich zu 32 Prozent wiederkehrenden Kunden, was laut PR-Direktorin Sophie Waters "deutlich über" dem normalen Kundenmuster der Marke liegt.

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