Standortanalysen bestätigen Trend.

Neben den alltäglichen Herausforderungen im stationären Handel halten nun zusätzlich gestiegene Inzidenzwerte Kunden, Touristen und sonstige Besucher aus den Innenstädten vom Kommen ab. Frequenzverluste zwischen 29 Prozent und 80 Prozent sind in allen Großstädten der gesamten Bundesrepublik im Jahr 2020 zu beobachten und ausgiebige Standortanalysen bestätigen einen kurzfristigen Trend.

B-Lagen provozieren mehr Frequenz gegenüber A-Lagen 

WHAT A LOCATION! hat Passantenfrequenzen und auch demografische Werte wie Altersstrukturen, Einzugsgebiete und Geschlechterverteilung in 25 deutschen Städten ausgewertet. Auch wenn bis Mitte Oktober ein positiver Trend der Passantenfrequenzen erkennbar war, sorgen stark steigende Infektionszahlen ab Mitte Oktober dafür, dass Frequenzen aufgrund weiterer Bewegungseinschränkungen wieder fallen werden – und das bereits vor der Vorweihnachtszeit, die der stationäre Handel, die Gastronomie und derTourismus eigentlich sehnlich erwarten. Für viele Branchen ist besonders die anstehende Vorweihnachtszeit eine entscheidende Phase, da Umsätze aus dieser Zeit ein Drittel oder gar die Hälfte des Gesamtjahresumsatzes ausmachen können. Prognosen aufstellen sei schwierig, aber es steht wohl fest, dass es im Jahr 2020 kein normales Vorweihnachtsgeschäft geben kann.

Trotz der bis Mitte Oktober wiedergestiegenen Besucherzahlen in den Shoppingmeilen ist noch längst nicht alles beim Alten. Vergleiche mit den Monaten des Jahres 2019 in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München verdeutlichen die Veränderung von bis 50 Prozent in den Top-Lagen. Nachweislich in den Auswertungen ist zu erkennen, dass die Bevölkerung im Mai die deutschlandweiten Lockerungen der Corona-Maßnahmen dankbar angenommen haben. Doch hat sich das Bewegungsverhalten vieler Menschen stark verändert, wovon kleinere und meist privat geführte Geschäfte in den B-Lagen profitiert haben.

WHAT A LOCATION! analysiert in 25 deutschen Städten täglich über 60 Milliarden anonymisierte Signaldaten aus dem deutschen Mobilfunknetz und erreicht damit eine Granularität von bis zu 95 Prozent der Bevölkerung. Betrachtet werden die Frequenzen 24 Stunden an 365 Tagen und können zu jeder gewünschten Hausnummer abgerufen werden. Alle Analysen werden in statistischen Durchschnittswerten bereitgestellt, was verhindert, dass Einflussfaktoren wie zum Beispiel Veranstaltungen einen zu großen Einfluss auf die Werte nehmen.

Der Samstag behält trotz Corona-Pandemie weiterhin seinen Stellenwert als Haupteinkaufstag und liegt in der Frequenz rund 46 Prozent höher als ein durchschnittlicher Dienstag. Die meisten Besucher wurden an einem durchschnittlichen Samstag zwischen 15 und 17 Uhr gezählt.

Nicht nur Umfragen, sondern auch die tatsächlichen Frequenzanalysen belegen, dass viele kleine Läden bislang besser durch die Corona-Pandemie gekommen sind, als erwartet - weil sie nicht in den großen Einkaufsstraßen - den A-Lagen - liegen. Früher vielleicht ein Nachteil, dieses Jahr die Rettung. Kleine Geschäfte können während Corona viel schneller auf individuelle Situationen eingehen als große Ketten. Der Kontakt mit den Menschen und die Flexibilität haben vielen wirtschaftliches Überleben gesichert. Großen Ketten, Unternehmen mit Tausenden Mitarbeitern und einem riesigen Apparat, sind nicht so flexibel wie ein kleines inhabergeführtes Geschäft in einer Nebenstraße.

Dank Corona und seinen Auswirkungen auf die Bewegung der Bevölkerung werden jetzt ehemalige B-Lagen zu Top-Standorten. Sie liegen dort, wo Menschen Home-Office machen und zu Hause sind. Wer nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren möchte, geht eben im eigenen Quartier einkaufen.

Diese enorm veränderten Einzugsgebiete der letzten Monate belegen, dass sich Kriterien für eine „gute Lage“ mit Corona verschoben haben. Vor der Pandemie waren die Highstreets in den Innenstädten und Airports eine sichere Einnahmequelle und damit eine absolute A-Lage. Einheimische Laufkundschaft, Touristen oder Veranstaltungsbesucher sicherten dort den Umsatz, der nun größtenteils wegfällt. Eines unterscheidet die Inhaber von kleinen Geschäften von den Ketten: Sie sind Einzelkämpfer und müssen sich selbst kümmern und können nicht warten, bis ein anderer etwas für sie tut. Sie werden schneller kreativ und kommunizieren direkt mit den Menschen in ihren Quartieren, was die Passantenaktivität dort ansteigen lässt.

Doch die Frage lautet: Wird das so bleiben? Geschäftsführer Henning Haltinner ist skeptisch: "Sobald Corona vorbei sein wird – egal wie lang das dauert - wird langsam die alte Normalität zurückkehren". Es herrschen dann die gleichen Faktoren wie vor der Pandemie. Schon heute beobachtet man die Entwicklung im Onlinehandel, dass der große Run während der Ladenschließungen vorbei ist. Allerdings ist zu hoffen, dass vielleicht doch etwas von der kurzfristigen Überlegenheit der B-Lagen bleibt, was die kleinen Händler in der Krise so stark gemacht hat. In jedem Fall lassen die Analysen vermuten, dass das Verhältnis der Bevölkerung zu ihrem Kiez gestiegen ist.

Der Einfluss von fundierten Passantenanalysen ist gestiegen. Der teilweise Erfolg der B-Lagen und die starken Veränderungen in der Demografie, den Einzugsgebieten und Passantenfrequenzen lassen erahnen, dass in Zukunft die reine Passantenzahl nicht mehr als alleiniges Erfolgsversprechen gelten kann. Expansion Manager, Strategen, Mieter, Immobilieneigentümer oder Kommunen – sie haben während den letzten Monaten verstanden nicht nur die Frequenz, sondern auch das Verhalten der Passanten und alle demografischen Kennzahlen zu analysieren, damit sie ihre Konzepte individuell auf die Gegebenheiten eines Quartiers anpassen können.

Dabei gilt es zu beachten, dass Analysen aus validierten und fundierten Quellen stammen und sich miteinander ohne Verwerfungen kombinieren lassen, um wertvolle Aussagen zu erhalten. Messmethoden mittels Lichtschrankensensorik zum Beispiel liefern ausschließlich Informationen über das Passantenaufkommen auf einer gedachten Linie, vernachlässigen aber die Straßenzugebene oder das Quartier. Auch können Einzugsgebiete, das Geschlecht und das Alter nicht ermittelt werden. Es ist also für jeden Anwendungsfall bereits im Vorfeld zu klären, welche Datenerhebungsmethode ein Unternehmen wählt.

Alles über Passanten zu wissen und gleichzeitig das Einhalten der Datenschutzgesetze zu beachten, lautet heute die Maxime. Ähnlich wie im Online-Geschäft fordern Händler und Co. nun diese einzigartigen Informationen. Denn diese sind für unzählige Anwendungsfälle entlang der gesamten Wertschöpfungskette im stationären Handel elementar wichtig geworden und können einen hohen Einfluss auf Bauvorhaben, Storekonzepte oder Investitionsentscheidungen haben. Einen kurzfristigen Einfluss auf Ladenmieten oder Immobilienpreise werden die aktuellen Möglichkeiten der Passantenanalysen wohl nur im Einzelfall haben. Um den Einfluss der gewonnenen Informationen nachhaltig zu nutzen, müssen Erkenntnisse aus den Analysen in die Anwendung gebracht werden, was bislang leider vielen Unternehmen noch sehr schwerfällt.

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